Genau heute vor einem Jahr, am 28. Februar 2022, ist Werner Kullmann für immer von uns gegangen.
In diesen Tagen habe ich oft an Werner gedacht. Der 24. Februar 2022 war für mich ein besonderer Tag. Nicht etwa wegen des Kriegsbeginns in der Ukraine an jenem Donnerstag, nein, es war der Tag, an dem ich Werner zum letzten Mal sah. Ich hatte gehört, dass er den Urlaub auf seiner geliebten Insel Norderney, die er noch einmal sehen wollte, abbrechen musste um hier gleich in das Krankenhaus eingeliefert zu werden. Als ich das Krankenzimmer betrat lag er da auf seinem Bett, bei vollem Bewusstsein, mit klarem Verstand. Die Medikamente hatten ihm wenigstens seine Schmerzen genommen. Werner hatte das Oberbett zurückgeschlagen, nur ein langes Hemd bedeckte seinen gewölbten Leib. Auf meine Frage sagte er mir, dass es die Krebsgeschwulste sind, die den Körper so aufblähten und nun die inneren Organe wegdrücken. Die Zeitungen, die ich ihm zum Zeitvertreib mitgebracht hatte, interessierten ihn nun nicht mehr. Die solle ich wieder mitnehmen. Er erzählte mir von den Angelegenheiten, die ihm in der Ratsarbeit besonders am Herzen gelegen hatten: Sein kritischer Blick auf die Westbahn, sein Eintreten für den Allwetterkinderspielplatz in Ratingen; seine Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister. Er gab mir die Bitte mit auf den Weg, auf diese Dinge besonders achtzugeben.
Ich erinnere mich: Noch am 17. Januar hatte Werner uns auf einem unserer Montagsspaziergänge in Ratingen begleitet. Es ging dabei um den stillen Protest gegen die unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkung durch die Regierung und gegen die gesellschaftliche Diffamierung und Ausgrenzung der Impfskeptiker. Werner sagte uns dann, dass er in wenigen Tagen wieder eine seiner regelmäßigen Chemos haben würde. Diese Chemos setzten ihn dann stets für etwa zwei Wochen außer Gefecht; das kannten wir. Aber dieses Mal sollte es anders sein. Denn als ich nach dem Arzttermin anrief klang er überraschend frisch und munter und überhaupt nicht ermüdet oder abgespannt. Wie beiläufig erzählte er, dass die Chemos nun nichts mehr bewirken. Die Ärzte hätten ihn aufgegeben. Der Krebs breite sich nun ungehindert weiter aus. Ich wollte es einfach nicht glauben. Denn Werner war immer noch der alte. Wie verbissen führte er seinen Kampf mit dem Bürgermeister weiter. Er wusste, dass ihm Unrecht geschah und er wollte nichts weiter als Gerechtigkeit.
Aber nun war es doch an diesem Donnerstag, dem 24. Februar 2022, ein Abschied für immer. Meine Hoffnung, ihn doch noch einmal lebend sehen zu dürfen erfüllte sich nicht. Am Montag darauf, dem Rosenmontag, bekam ich die Nachricht, dass Werner seinen letzten Gang angetreten hatte.
Trotzdem ging Werner in Frieden. Er hatte viel erlebt; er war ein Mann der Gesellschaft und trotzdem ein Abenteurer. Er führte ein bewegtes Leben mit Höhen und Tiefen. Aber er hatte in seiner Familie die Heimat und Stütze gefunden. Er war stolz auf seine Familie und der Sonnenschein in seinem letzten Lebensabschnitt waren seine Enkelkinder. Deswegen hatte er ja auch für das Spielparadies in der Innenstadt gekämpft.
Beim Kampf um den Erhalt der Ratinger Minoritenschule, die er und seine Kinder einst besucht hatten, kann er nun nicht mehr dabei sein. Ich bin sicher: Es hätte ihn erbost bis zur Weißglut gebracht und neue Lebensgeister in ihm geweckt.
Werner war ein Ratinger Gewächs; er kannte die Ratinger Histörchen und den Klüngel. Er war ein guter Ratgeber und Freund. Die Lücke, die er hinterlassen hat, die können wir nicht schließen. Aber die Erinnerung an seine Beständigkeit bis zum Letzten und sein tiefes Empfinden für Recht und Unrecht wird uns bleiben. Und das Andenken an einen guten Freund; einen lieben Menschen. Ein Vorbild in seinem aufrechten Wesen.
Bernd Ulrich